Birgit Heidsiek
Nachhaltig denken und handeln - wie die Plattform Green Film Shooting und das Grüne Kinohandbuch dabei helfen können.
Green Film Shooting – Nachhaltigkeit ist in vielen Industrien (z.B. Fahrzeugbau, Energiewirtschaft) bereits ein zentrales Thema. Was hat Dich dazu bewegt, Green Film Shooting als internationale Plattform für die Film- und Medienbranche ins Leben zu rufen?
Green Film Shooting ist aus der Idee geboren worden, zwei Welten zusammenzubringen, zwischen denen es nur wenig Berührungspunkte gab. Die Film- und Medienindustrie ist eine internationale Branche mit einem globalen Geschäftsmodell, das von seinem Glamourfaktor profitiert. Ökologie, Umweltschutz und Nachhaltigkeit waren jahrzehntelang ein Thema, das weder gesellschaftlich noch medial große Beachtung erfahren hat. Meine Wunschvorstellung war, dass die Filmproduktionen selbst auf umweltfreundlichere Methoden und Maßnahmen setzen und zugleich als positives Vorbild fungieren sollen, um Ökologie eine breitere gesellschaftliche Relevanz zu verleihen. Mit Abfallmanagement und Ausstieg aus der Atomkraft war Deutschland 2012 zwar international ein Vorreiter, aber im Filmproduktionsbereich gab es in Frankreich, Belgien und den USA bereits zu dieser Zeit erste Initiativen, die auf ressourcenschonende Maßnahmen, Mittel und Methoden abzielen.
Durch die Bündelung dieser verschiedenen vielfältigen Informationen ist organisch ein internationales Zentrum für Nachhaltigkeit in der Film- und Medienbranche gewachsen, das seit seiner Gründung 2012 immer mehr Projekte in vielen Regionen und Ländern inspiriert hat. Nachhaltigkeit ist stets ein Prozess, der sich noch optimieren lässt. Auch Green Film Shooting hat sich weiter entwickelt und bildet inzwischen thematisch die ganze Bandbreite der Film- und Medienproduktion ab, die vom Drehbuch über die Produktion bis hin zur Kinoauswertung und dem CO2-Fußabdruck durch den Datenverkehr reicht. Gleichzeitig hat die Informationstiefe zugenommen, denn viele Sujets und Sachverhalte erfordern in Hinblick auf die ökologischen Auswirkungen eine komplexe Betrachtung.
Mein Ansatz sieht vor, praktikable und bezahlbare Best Practice-Beispiele vorzustellen, die sich energie- und ressourcenschonend im Film- und Medienbereich einsetzen lassen. Das erfolgt auf unserer Online-Plattform, in dem deutsch-englischen Printmagazin, aber auch im Rahmen von Fachvorträgen, Workshops und Panel-Diskussionen im In- und Ausland.
Green Cinema – Welchen aktiven Beitrag können speziell Kinos zum Klimaschutz leisten?
Kinos können das Publikum nicht nur mit Filmen für Themen wie Umwelt- und Klimaschutz sensibilisieren, sondern mit zahlreichen Maßnahmen auch die CO2-Emissionen und damit die Kosten im Kinobetrieb senken. Als Grüne Kinobeauftrage der Filmförderungsanstalt (FFA) habe ich mit dem Grünen Kinohandbuch einen Best Practice-Guide für die Filmtheaterbetreiber produziert.
In den Handlungsfeldern Energieeffizienz, Ökostrom, Concession und Abfallmanagement werden die gesetzlichen Rahmenbedingungen, Anforderungen und erfolgreiche erprobte Lösungen vorgestellt. Ein Drittel des gesamten Energieverbrauchs fließt allein in die Beheizung, Kühlung und Beleuchtung von Gebäuden. Mit modernen Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung und einem hohen Wirkungsgrad können Kinos beispielsweise ihre Heizkosten senken. Eine wachsende Anzahl von Kinos produzieren Ökostrom mit einer hauseigenen Photovoltaikanlage, der sich für die zeitversetzte Nutzung speichern lässt.
Am stärksten sichtbar wird das Umwelt- und Klimaschutzengagement im Kino an der Concession-Theke. Immer mehr Kinos verbannen Plastikverpackungen und Produkte, die Palmöl enthalten. Stattdessen gibt es Popcorn aus Biomais in Papiertüten. Getränke werden in Gläsern und Glasflaschen angeboten, was das Abfallaufkommen erheblich reduziert. Für viele Kinos ist das auch eine Frage der Glaubwürdigkeit, denn es passt nicht zusammen, Filme über die Zerstörung von Regenwäldern zu zeigen, aber an der Theke Schokolade oder Cracker mit ökologisch bedenklichen Zutaten wie Palmöl zu verkaufen.
Green Glamour – Immer mehr Filmfestivals bekennen sich zur Nachhaltigkeit. Mit welchen Herausforderungen sehen sich die Festivalorganisatoren unter Umständen konfrontiert und welche Lösungsansätze gibt es?
Genau wie bei den Kinos sind auch bei Festivals Energie und Abfall Bereiche, die mit hohen CO2-Emissionen belastet sind. Ein weiteres Schwergewicht stellt die Anreise der Besucher dar, die sich nur durch Angebote wie Kombi-Tickets mit der Bahn oder dem ÖPNV sowie Fahrradständern und Leihfahrrädern beeinflussen lässt. Bei der Auswahl der Spiel- und Versammlungsstätten wie Kinos oder Kongresszentren sind Größe, Verfügbarkeit, Kosten und Logistik ausschlaggebende Kriterien. Doch auch dabei gibt es einige Stellschrauben.
Die Internationalen Filmfestspiele Berlin haben beispielsweise eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Berlinale umweltfreundlich zu gestalten wie Bezug von Ökostrom im Berlinale-Palast, Einsatz eines wiederverwendbaren roten Teppichs, dessen Garn aus recycelten Fischernetzen gewonnen wurde, vergünstigte Bahn-Tickets für Akkreditierte, ein Pfandbechersystem für Kaffee, nachhaltiges Mineralwasser-Sponsoring sowie vegetarisches Catering bei allen offiziellen Berlinale-Veranstaltungen. Hinzu kommt eine EMAS-Zertifizierung, durch die den Mitarbeitern nachhaltigere Maßnahmen und Methoden im Büroalltag vermittelt werden.
Green Filming Tirol – Welche Chancen und Möglichkeiten siehst Du im Zusammenhang mit Green Filming für Tiroler Unternehmen und das Filmland Tirol?
Zu den Grundsätzen der umweltschonenden Filmproduktion gehört die Beschaffung von regionalen Produkten und Dienstleistungen, wovon die heimische Wirtschaft profitiert. Das beinhaltet die lokale Unterbringung von Cast und Crew, das Catering mit Zutaten und der Zubereitung, aber auch technische Serviceleistungen wie die Bereitstellung von Baustromleitungen an Außenmotiven. Hinzu kommen selbstverständlich das kommunale Abfallmanagement und die Entsorgung.
Nachhaltige Produktionsstrategien führen zudem zu einem sorgsamen Umgang mit Ressourcen und einer strengeren Einhaltung von Naturschutzauflagen, was von den Einheimischen goutiert wird. Die Anforderungen nachhaltiger Filmproduktionen können zudem die Basis für neue Geschäftsmodelle bilden, die von Holzwerkstätten für den Dekobau bis hin zum Fahrradverleih reichen.
Green Filming ist mehr als nur ein Mehrweg-Kaffeebecher – Dein grüner Tipp!
In der Natur gibt es keinen Abfall. Auch wir sollten uns an den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft orientieren, wenn wir ein Produkt kaufen oder nutzen und uns fragen:
- Welche Materialien sind dafür verwendet worden?
- Woher stammen diese?
- Sind erdölbasierte oder nachwachsende Rohstoffe dafür eingesetzt worden?
- Sind giftige Substanzen darin enthalten?
- Wie sah der Produktionsprozess dieses Produktes aus?
- Unter welchen Arbeitsbedingungen erfolgte die Herstellung?
- Wo ist das Produkt produziert worden?
- Welcher Wasserfußabdruck ist damit verbunden?
- Auf welchem Wege ist der Transport erfolgt?
- Wie lange nutzen wir das Produkt, wenn wir es erwerben?
- Ist es möglich, das Produkt zu reparieren, wenn es defekt ist?
- Sind Ersatzteile lieferbar?
- Was geschieht mit dem Produkt, wenn es entsorgt wird? Können bestimmte Rohstoffe daraus wiederverwendet werden?
- Welche Umweltbilanz ist mit der Entsorgung verbunden?
- Wie sieht die Ökobilanz des Produktes aus?
Wenn wir bei unseren Kaufentscheidungen entsprechende Auswahlkriterien anlegen, sind beschichtete Pappbecher, Fast Fashion-Produkte, Billigfleisch und Hardware-Obsoleszenz keine Option mehr. Das spart Energie, Ressourcen, Wasser, Abfall und schont somit unsere Umwelt und das Klima.
Kontakt:
Green Film Shooting/Grünes Kino – FFA-Beauftragte für Grünes Kino
Birgit Heidsiek
Hermann-Behn-Weg 21
20146 Hamburg
Tel.: +49 40 410 4507
Mail: info@greenfilmshooting.net; info@grüneskino.de
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