Musikvideos ‚made in Tirol‘


'Wie kaum ein anderes Medium prägt das Musikvideo unsere Alltagskultur: Film, Kunst, Literatur, Werbung – sie alle stehen eindeutig in ihrer Ästhetik, ihren technischen Abläufen, Bildwelten oder narrativen Strategien unter dem Einfluss des Musikvideos.'

Quelle: Keazor, Henry; Wübbena, Thorsten: Rewind – Play – Fast Forward: The Past, Present and Future of the Music Video: Introduction. Bielefeld, 2010. S. 7.

Die Ursprünge der Visualisierung von Musik und die Entwicklungen des Musikvideos

Das Bedürfnis an visueller Musik, wie etwa durch Tanz oder pantomimische Darstellung, gab es bereits sehr früh. Hinzu kommt, dass es schon um 1500 Bemühungen gab, Musik ohne den Einsatz von menschlicher körperlicher Interpretation darzustellen. So versuchte dies etwa Leonardo da Vinci unter dem Einsatz von Lichtmaschinen und farbigen Projektionen. Mit der Erschaffung des ‚grafischen Cembalo‘ gelang Giuseppe Arcimbolo beim Anschlag der Tasten ein zusätzliches Licht zu projizieren was dazu führte, dass aus dieser Grundidee weitere ‚Farborgeln‘ oder ‚Farbklaviere‘ entstanden. Durch die Farbenlehre von Athanasius Kirchner wurde im 17. Jahrhundert jedem Ton eine eigene Farbe zugeordnet, weiterführend demonstrierte Isaac Newton den mathematischen Zusammenhang von Farben und Tönen. Im 18. Jahrhundert entwickelte Louis-Bertrand Castel eine eigene Farbenlehre und baute daraufhin seine Neuinterpretation des Farbklaviers. Diese stetige Weiterentwicklung führte im 20. Jahrhundert dazu, dass Kongresse zur Farb-Ton Forschung ins Leben gerufen wurden. Ab den 1930er Jahren wurden vermehrt Videoproduktionen zur Unterstützung von Konzerten eingesetzt, gefolgt von in den USA entstandenen ‚Soundies‘, die in den 1940er Jahren in Bars und Restaurants gezeigt wurden. Diese kurzen musikalischen Filme (Performanceclips) boten Soldaten einen Blick in die Heimat. Es dauerte bis in die 1960er Jahre, als von Frankreich ausgehend sich Video-Jukeboxen, sogenannte ‚Scopitones‘, in Europa verbreiteten. Als weitere Vorgänger von Musikvideos gelten abstrakte Avantgarde sowie surrealistische Filme, frühe Trickfilme und der Tanz- und Operettenfilm (vgl. Bódy, Veruschka; Weibel, Peter (Hrsg.): Clip, Klapp, Bum. Von der visuellen Musik zum Musikvideo.-Köln: DuMont, 1987. S. 46-47). Für den inhaltlichen und strukturellen Aufbau eines Musikvideos lieferten auch Bühnenshows, Tanztheater, Aktionskunst und Fluxus wichtige Impulse. (vgl. Bódy und Weibel, 1987, S. 108)

Als erstes tatsächliches Musikvideo gilt ‚Bohemian Rhapsody‘ der Band Queen aus dem Jahre 1975. Neben dem Einsatz eines namhaften Regisseurs (vgl. Michel, Matthias: Die ’nackte Form‘. Kommerzialisierung und Visualisierung des Rock`n`Roll. In: Hausheer, Cecilia; Schönholzer, Annette (Hg.): Visueller Sound. Musikvideos zwischen Avantgarde und Populärkultur. Luzern, 1994. S. 82), wurden erstmals Videotechniken zur technischen Veränderung der Performance der Musiker verwendet. Obwohl bereits in ‚Strawberry Fields‘ Überblendungen, Rückwärtsabspielungen, ein schneller Schnittrhythmus usw. erkennbar waren, ist die eigentliche Neuerung bei ‚Bohemian Rhapsody‘ der finanzielle Aufwand (vgl. Behne, Klaus-Ernst: Zur Rezeptionspsychologie kommerzieller Video-Clips.- In: film- musik- video oder Die Konkurrenz von Auge und Ohr. Regensburg: Gustav Bosse Verlag, 1987. S. 111- 124). Das Video, welches anstelle einer Liveperformance erstmals bei der Ausstrahlung der britischen Sendung ‚Top of the Pops‘ gezeigt wurde, landete sogleich auf Platz 1 der britischen Charts (vgl. Wicke, Peter; Ziegenrücker, Kai-Eric; Ziegenrücker, Wieland: Handbuch der populären Musik. Rock. Pop. Jazz. World Music. 3. Mainz, 1997. S. 348). Dieser Umstand löste eine Welle von großen Musikvideoproduktionen aus – die Branche erkannte das Potential dieser Werbeform (vgl. Westreicher Nicole: Das Phantastische im Musikvideo. Münster: LIT Verlag GmbH, 2015. S. 145). Aufgrund der Entstehung des Musikvideosenders MTV im Jahre 1981 erfolgte ein weiterer Boom, da diese neue Sendeplattform wiederum formale und inhaltliche Neuerungen mit sich brachte (vgl. Kaplan, Elizabeth Ann: Rocking around the clock. music television, postmodernism, and consumer culture.- New York: Routledge, 1988. S. 2). Der Musiker wandelte sich immer mehr zum ‚Perfomer‘, da das Image des Künstlers wichtiger als seine Musik wurde. (vgl. Kurp, Matthias; Hauschild, Claudia; Wiese, Clemens: Musikfernsehen in Deutschland: Politische, soziologische und medienökonomische Aspekte. Wiesbaden, 2002. S. 49)

Hauptsächlich fungieren Musikvideos als Promotiontool, um die Fans an den Musiker zu binden, jedoch können auch Menschen damit angesprochen werden, die man alleine durch den Song nicht erreicht hätte. Zudem tragen Videos dazu bei, dass aus einem Künstler oder einer Band Superstars werden (vgl. Lenny Kravitz mit dem von Mark Romanek inszenierten Video ‚Are You Gonna Go My Way?‘) (Vgl. Brenninger, Noelle: Medium Musikvideo: Mark Romaneks Videoästhetik. Wien, 2008. S.11). Mit einem Musikvideo können neben dem gewünschten Image auch Emotionen transportiert werden und somit eine noch höhere Anziehungskraft des bzw. der Künstler auf Fans ausüben. (vgl. McPhail, Thomas L.: Global Communication. Theories, Stakeholders, and Trends. West Sussex, 2010. S. 235)

Noch niemand konnte mit dem Online-Gang von YouTube im Jahre 2005 ahnen, dass damit eine Revolution in der Medien- und Kommunikationslandschaft einhergeht und vor allem zu einer der Plattform von Musikvideos wird. (vgl.: Beisswenger, Achim: Youtube und seine Kinder. In: Beisswenger, Achim (Hg.): Youtube und seine Kinder: Wie Online-Video, Web TV und Social Media die Kommunikation von Marken, Medien und Menschen revolutionieren. Baden-Baden, 2010. S. 15)

Cine Tirol und Filmland Tirol in Bezug auf die Realisierung von Musikvideos

Das Filmland Tirol bietet sich aus zahlreichen Gründen als ideale Location zur Realisierung von Musikvideos an. Vor allem durch die leichte Erreichbarkeit der (hoch)alpinen Drehorte, denn Straßen und Wege führen teilweise bis zu Gletschergebieten hinauf und mit Seilbahnen stößt man sogar bis in die Gipfelregionen vor. Die äußerst verkehrsgünstige Lage im Herzen der Alpen ermöglicht eine schnelle und unkomplizierte Anreise nach Tirol sowie im Bedarfsfall gute Zugriffsmöglichkeiten auf filmische Einrichtungen in München und Wien. Die hervorragende Hotellerie und Gastronomie in unmittelbarer Nähe zu den (hoch)alpinen Drehorten sowie ein hoher Standard an regionaler und lokaler Infrastruktur bieten beste Voraussetzungen für professionelle und effiziente Dreharbeiten in Tirol. Tiroler Filmschaffende können die Realisierung von Musikvideos auf Grund ihrer ausgezeichneten Ortskenntnisse und umfassenden Erfahrungen hilfreich und zweckdienlich unterstützen. All das ist verbunden mit professioneller Gastlichkeit und herzlicher Gastfreundschaft, wodurch die Dreharbeiten sehr angenehm und entspannt verlaufen können.

Im Frühling und speziell im Sommer locken die saftig grünen Bergwiesen und die atemberaubenden Ausblicke auf die Tiroler Bergwelt. Luxuriöse (Berg-)Chalets, alte Bauernhöfe und historische Bauten, aber auch die Altstädte mit ihren schmalen Gassen sind überaus beliebte Locations. Der Herbst, speziell durch die farbenprächtige Berglandschaft und die schon sehr winterlichen Bedingungen auf den fünf leicht erreichbaren Tiroler Gletschern, lädt zu Dreharbeiten in besonderer Weise ein – und der Bergwinter schafft optimale Voraussetzungen für die perfekten Winterkulissen.

Tirol konnte bereits eine Vielzahl an KünstlerInnen für Dreharbeiten in Tirol begrüßen. Einer der wohl bekanntesten ist Ed Sheeran, der im Oktober 2017 für das Video seines Songs ‚Perfect‘ am Hintertuxer Gletscher und an weiteren Locations in Zillertal unter der Regie von Jason König vor der Kamera stand. Seit der Veröffentlichung am 09.11.2017 konnte der romantische Song bereits über 3,6 Milliarden Menschen weltweit berühren. Weitere Informationen zu den Dreharbeiten in Tirol können unter https://www.hintertuxergletscher.at/de/specials/videodreh-ed-sheeran/ oder https://www.blog.tirol/2017/11/ed-sheeran-musikvideo-drehorte-in-tirol/ nachgelesen werden.

Seit Gründung von Cine Tirol im Jahre 1998 wurden über 90 indische Filmproduktionen nach Tirol geführt. Die Dreharbeiten von Bollywoodfilmen umfassen oftmals Songs, die mit Tanzszenen verbunden sind und wichtige Elemente darstellen. Diese Songs werden noch vor Kinostart zur Bewerbung des eigentlichen Filmes veröffentlicht, um möglichst viel Publikum in die Kinos zu locken. Im Rahmen der Dreharbeiten für den indischen Actionfilm ‚Tiger Zinda Hai‘ im März 2017 wurde der Song ‚Dil Diyan Gallan‘ in der Innsbrucker Altstadt (Goldenes Dachl, Kaiserliche Hofburg Innsbruck), in Praxmar und im Kaunertal realisiert. Unter der Regie von Ali Abbas Zafar standen die Bollywood-Superstars Salman Khan als Agent Tiger und Katrina Kaif als seine Frau Zoya vor der Kamera standen. ‚Dil Diyan Gallan‘ konnte bereits über 772 Mio. Menschen auf YouTube begesitern; das dazugehörige Making Of ist unter https://www.youtube.com/watch?v=EixnLHZ6QjA abrufbar.

Überdies bietet Tirol den Musikvideos unterschiedlichster Genres eine Heimat – von Volksmusik und Schlager (Hansi Hinterseer, Hannah, Schürzenjäger, Die Mayrhofner) zu Rap (Moses Pelham, Casper), Pop (Mike Singer), Rock (Rammstein) und Drum and Bass (Sigma). Auch heimische KünstlerInnen wie z.B. Manu Delago, Rebel Musig, Von Seiten der Gemeinde, Nenda, Kála, Mode, Schönbrunner Gloriettenstürmer, Nathan Trent und Lilla realisierten die Videos zu ihren Songs in Tirol.

Alle Filme ‚made in Tirol‘, so auch Musikvideos, tragen dazu bei, dass die beeindruckenden Bilder Tirols hinaus in die Welt gelangen, auf diese Weise für das „Land im Gebirg“ werben und in weiterer Folge touristische Impulse verursachen.

Beispiele von Musikvideos ‚made in Tirol‘ 
(chronologisch nach dem Datum der Veröffentlichung auf YouTube):